Matthias Gläßner – Senior TYPO3 Architekt

Architektur · Headless & APIs · Frontend-Strategien

TYPO3 vs. Headless:
Wann ein Headless-Ansatz sinnvoll ist – und wann klassisches TYPO3 besser passt

„Wir brauchen ein Headless-CMS“ – diesen Satz hört man inzwischen häufig in Pitches und Strategiepapiere. Gleichzeitig laufen sehr viele stabile, erfolgreiche Portale weiterhin mit klassischem TYPO3-Rendering. Dieser Artikel ordnet ein, was Headless eigentlich bedeutet, wo ein Headless-Ansatz (auch mit TYPO3) echten Mehrwert bringt – und wo ein gut aufgesetztes TYPO3-System die pragmatischere Wahl ist.

Fokus: Enterprise-TYPO3, Portale & Multi-Channel Headless TYPO3 · Hybrid-Architekturen · SPA/Frontend

Was bedeutet „Headless“ im Kontext von TYPO3 überhaupt?

Klassische CMS haben Backend und Frontend eng gekoppelt: Inhalte werden im Backend gepflegt, im Seitenbaum strukturiert und über Templates direkt als HTML ausgeliefert. Ein Headless-CMS trennt das: Das Backend liefert Inhalte primär über APIs (JSON/REST/GraphQL) aus, die Darstellung übernimmt ein oder mehrere Frontends (z. B. SPA, Native Apps, externe Systeme).

Mit TYPO3 haben Sie mehrere Optionen:

  • Klassisch: TYPO3 rendert HTML (Fluid) selbst.
  • Headless mit TYPO3: TYPO3 liefert Inhalte via API an ein externes Frontend.
  • Hybrid: Teile klassisch, Teile headless (z. B. Suche/Apps/Portale).

Der entscheidende Punkt: Headless ist kein Selbstzweck, sondern ein Architektur-Pattern, das bestimmte Anforderungen sehr gut, andere eher komplizierter macht.

Klassisches TYPO3 vs. Headless-Ansatz – Stärken & Grenzen

Die Frage ist nicht „modern oder veraltet“, sondern: Welche Architektur passt zu Ihren Anforderungen, Teams und Budgets?

Klassisches TYPO3

TYPO3 als „Full-Stack“-CMS

TYPO3 liefert HTML direkt aus (Fluid-Templates), kümmert sich um Caching, Routing, Rechte & Redaktions-UX – alles in einem System.

  • • Ideal für Websites & Portale mit klassischem Seitenbaum
  • • Weniger bewegliche Teile → einfacherer Betrieb
  • • Redakteur:innen sehen im Backend, was im Frontend passiert
  • • Sehr gut kombinierbar mit Solr/Elastic, Schnittstellen, A11y

Headless mit TYPO3 / separatem CMS

API-first & entkoppelte Frontends

Inhalte werden über APIs ausgespielt, Frontends (Web, App, SPA) konsumieren diese und sind technisch unabhängig von TYPO3.

  • • Stark für Multi-Channel & App-Szenarien
  • • Frontend kann unabhängig deployt & skaliert werden
  • • Höherer Architektur- & Betriebsaufwand
  • • Höhere Anforderungen an Produkt- & API-Governance

Drei gängige Architekturmuster mit TYPO3

In der Praxis landen viele Organisationen in einem der folgenden drei Muster – bewusst oder „historisch gewachsen“:

Modell 1

Klassisches TYPO3-Portal

TYPO3 rendert HTML, ggf. mit modernem Frontend (Tailwind, Alpine, Stimulus). Perfekt für Verbände, Behördenportale, Unternehmenswebsites.

  • • Geringere Komplexität
  • • Sehr gute Redaktions-UX möglich
  • • Wenige Systeme, klare Verantwortlichkeiten

Modell 2

Headless TYPO3

TYPO3 dient als Content-Hub und liefert Inhalte via JSON/REST an ein SPA-/Frontend-Framework (z. B. React/Vue) oder weitere Kanäle.

  • • Saubere Trennung von Backend & Frontend
  • • Gut für Portale mit starker App-/Frontend-Logik
  • • Höherer Aufwand für Governance & CI/CD

Modell 3

Hybrid-Ansatz

Teile werden klassisch durch TYPO3 gerendert, andere Bereiche (z. B. Single Page Applications, Self-Service-Portale) laufen headless über APIs.

  • • Gute Brücke zwischen klassischen und „modernen“ Teilen
  • • Erlaubt schrittweise Modernisierung
  • • Wichtig: klare Schnittstellen & Zuständigkeiten definieren

Wann sich ein Headless-Ansatz (mit TYPO3 oder anderen Systemen) wirklich lohnt

Headless kann sehr mächtig sein – aber nur, wenn der Zusatzaufwand durch klare Mehrwerte gerechtfertigt ist. Typische Szenarien, in denen sich Headless lohnt:

1. Multi-Channel & Content-Reuse

  • • Inhalte werden in Web, Apps, Terminals, Intranet etc. genutzt
  • • Redaktion pflegt Inhalte einmal, verschiedene Frontends konsümieren sie
  • • Klare Content-Modelle statt „Layout-getriebenem“ Content

2. Starke Frontend-Anforderungen

  • • Sehr interaktive UIs, komplexe Filter oder Dashboards
  • • Frontend-Team mit hoher JS-/SPA-Kompetenz
  • • Wunsch nach unabhängigen Frontend-Releases

3. Microservice-/API-Landschaften

  • • CMS ist Teil eines größeren API-Ökosystems
  • • Inhalte werden stark mit anderen Backend-Services verknüpft
  • • Klare Trennung von „Content“ und „Business-Logik“ gewünscht

4. Langfristige Produktstrategie

  • • Plattform, die mehrere Projekte & Produkte über Jahre tragen soll
  • • Content als „Produkt“ verstanden, nicht nur als Website-Inhalt
  • • Bereitschaft für Governance, API-Design & CI/CD-Investitionen

Wann ein gut aufgesetztes klassisches TYPO3 die bessere Wahl ist

In vielen Projekten wird Headless diskutiert, obwohl die Anforderungen durch ein klassisches oder leicht erweitertes TYPO3-Setup sehr gut abgedeckt werden – mit deutlich weniger Komplexität.

Typische Szenarien für klassisches TYPO3

  • • Corporate Websites, Verbands-/Behördenportale mit Fokus auf Inhalte
  • • Wenige bis keine zusätzlichen Kanäle außerhalb Web
  • • Redaktion denkt in Seiten, Menüs und klaren Bereichen
  • • Wichtig sind Stabilität, Sicherheit & Governance

Pragmatische Erweiterungen statt Headless

  • • Moderne Frontends mit Tailwind, Alpine, kleinen JS-Komponenten
  • • gezielte JSON-/REST-APIs für einzelne Funktionen
  • • Integration von Such- und Schnittstellen-Systemen
  • Testing & CI/CD sauber aufsetzen statt neue Architektur einführen

Siehe dazu auch Testing in TYPO3-Projekten und Performance messen & optimieren.

Typische Stolpersteine bei Headless-/Hybrid-Projekten

Viele Headless-Projekte scheitern nicht an der Technik, sondern an Organisation, Governance und Produktmanagement. Typische Probleme:

  • • Kein klares Content-Modell – Inhalte bleiben in „Seitenlogik“ gedacht.
  • • Redakteur:innen verlieren den Bezug zum Frontend („Was passiert mit meinem Content?“).
  • • Doppeltes oder unscharfes Routing zwischen CMS und Frontend.
  • • Deployment- & Testing-Prozesse sind nicht an die neue Komplexität angepasst.
  • • Insellösungen entstehen, weil Frontend & Backend-Teams nicht abgestimmt arbeiten.

Diese Risiken lassen sich minimieren, wenn Architektur-, Governance- und Projektplanung von Anfang an zusammengedacht werden – statt „Headless“ nur als technisches Feature zu verstehen.

Entscheidungshilfe: 8 Fragen vor „Wir machen Headless“

Bevor Sie sich auf eine Headless-Architektur festlegen, helfen diese Fragen bei einer nüchternen Bewertung:

  1. 1. Haben wir heute oder in absehbarer Zeit wirklich mehrere Kanäle, die Content aus dem CMS beziehen?
  2. 2. Gibt es ein Frontend-Team mit Erfahrung in SPA/Frameworks und guter Zusammenarbeit mit Backend/IT?
  3. 3. Haben wir Kapazität für API-Design, Dokumentation und Governance?
  4. 4. Können wir CI/CD & Testing für mehrere Services/Repos etablieren?
  5. 5. Können Redakteur:innen weiterhin effizient arbeiten und sehen, was sie tun?
  6. 6. Ist der zusätzliche Betriebs- und Fehleranalyseaufwand einkalkuliert?
  7. 7. Welche Mehrwerte entstehen gegenüber einem modernen klassischen TYPO3-Setup konkret?
  8. 8. Gibt es eine Exit-Strategie, falls Headless für uns nicht funktioniert?

Oft führt diese Diskussion zu hybriden Lösungen oder einem bewusst optimierten klassischen TYPO3-Setup – statt zu einem „Alles muss Headless sein“-Dogma.

Häufige Fragen zu TYPO3 vs. Headless

Einige Fragen tauchen in Strategie- & Architekturworkshops immer wieder auf:

Ist Headless immer die „modernere“ Lösung im Vergleich zu klassischem TYPO3?
Headless ist ein Architekturansatz, kein Qualitätslabel. In vielen Szenarien ist ein gut umgesetztes klassisches TYPO3 mit sauberem Frontend, Caching und CI/CD deutlich wartbarer als ein überkomplexes Headless-Setup ohne klare Governance.
Können wir erst klassisch starten und später auf Headless umstellen?
Ja – das ist oft ein sinnvoller Weg. Wichtig ist dann, früh auf ein sauberes Content-Modell, klar strukturierte Extensions und eine API-freundliche Architektur zu achten. So können später einzelne Bereiche (z. B. Suche, Self-Service) headless oder als SPA ausgelagert werden, ohne alles neu bauen zu müssen.
Brauchen wir für Headless zwingend ein anderes CMS als TYPO3?
Nein. TYPO3 kann selbst sehr gut als Headless-Backend dienen, sei es mit bestehenden Headless-Extensions oder individuellen APIs. Ob ein dediziertes Headless-CMS sinnvoll ist, hängt von Ihrer Systemlandschaft, Lizenzmodellen und Teamkompetenzen ab. In vielen DACH-Setups ist Headless mit TYPO3 eine pragmatische Lösung.
Wie wirkt sich Headless auf Barrierefreiheit & SEO aus?
Barrierefreiheit & SEO hängen primär von Frontend-Umsetzung und Inhalten ab, nicht vom CMS-Label. Allerdings erhöhen SPA-/Headless-Frontends die Anforderungen: Server-Side-Rendering, klare Struktur, Fokus-Management, Caching und technische SEO müssen noch sorgfältiger geplant werden. Gerade im BITV-/WCAG-Umfeld sollte Headless sehr bewusst eingeführt werden.

Sie überlegen, ob Headless für Ihr TYPO3-Projekt sinnvoll ist?

Ob klassisches TYPO3, Headless oder ein Hybrid-Ansatz – die richtige Architektur hängt von Ihren Zielen, Ihrem Team und Ihrer Systemlandschaft ab. In einem kurzen Erstgespräch klären wir, wo Sie stehen, welche Anforderungen Sie haben und wie eine realistische Roadmap aussehen kann – inklusive Governance, Testing und Deployment.